„Unsichtbare“ Abfälle vermeiden, bevor sie entstehen

Vom 21. bis 29. November findet die Europäische Woche der Abfallvermeidung statt. Sie steht in diesem Jahr unter dem Motto „Invisible Waste: Abfälle, die wir nicht sehen – Schau genau hin!“. Dies nehmen wir zum Anlass, um zu zeigen, wie die Partner im Projekt und darüber hinaus zur Vermeidung „unsichtbarer“ Abfälle und zum Schließen von Stoffkreisläufen beitragen.

Abfälle entstehen nicht nur am Lebensende eines Produktes, wenn sich die Nutzerin dessen an der Mülltonne entledigt (der sogenannte „Beginn der Abfalleigenschaft“), sondern sie fallen entlang der gesamten Lieferkette an. Dies geschieht bereits bei der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung, geht über die Herstellung und den Transport des Produktes bis hin zur Nutzung und anschließenden Entsorgung. Nach dem Durchlaufen eines Recycling- oder Verwertungsprozesses endet diese Abfalleigenschaft unter bestimmten Voraussetzungen – ein neues Produkt kann daraus entstehen.

 

Abfallvermeidung entlang der gesamten Wertschöpfungskette

Die „unsichtbaren Abfälle“ sind jedoch nicht immer zweifelsfrei einem Produkt zuzuordnen oder zu beziffern. Zudem können nicht alle Abfälle einem hochwertigen werkstofflichen Recycling zugeführt werden, d.h. eine wirkliche Kreislaufführung ist oftmals nicht möglich. Und auch durch Littering, das unsachgemäße Wegwerfen von Abfällen v.a. im öffentlichen Raum, werden Stoffe in die Umwelt eingetragen, deren Auswirkungen auf den ersten Blick nicht immer sichtbar und z.T. auch noch nicht absehbar sind. Umso wichtiger ist es daher, dass alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette die Abfallvermeidung in den Fokus nehmen. Wer Abfälle an der Quelle vermeidet, trägt zur Ressourcenschonung und zum Umweltschutz bei. Nicht umsonst steht die Abfallvermeidung an erster Stelle in der Abfallhierarchie.

Sowohl die Politik als auch Unternehmen und auch Verbraucher*innen verfügen über erhebliche Stellschrauben, etwa durch entsprechende Gesetze und Verordnungen (inklusive eines konsequenten Vollzugs), die Umstellung von Produktionsprozessen, ein transparentes Lieferkettenmanagement oder die Änderung des Konsumverhaltens. reGIOcycle nimmt die Europäische Woche der Abfallvermeidung (European Week of Waste Reduction, kurz EWWR) zum Anlass, um anhand von Projektaktivitäten und weiteren Initiativen der Verbundpartner Möglichkeiten zur Abfallvermeidung aufzuzeigen.

Ansätze zur Kunststoffabfallvermeidung

Dass mit der Wiederverwendung von Verpackungen Abfall vermieden wird, liegt auf der Hand. Auch tragen Mehrwegsysteme zur Verringerung von Littering bei, da die Rückerstattung des Pfandbetrages den Geldbeutel schont. Im reGIOcycle-Projekt werden daher u.a. die Möglichkeiten für die Einführung eines regionalen Pfandsystems für (Kalt-)Getränkebecher sowie die Entwicklung einer mehrwegfähigen „Regionalverpackung“ aus regionalen, nachwachsenden Rohstoffen untersucht. Darüber hinaus werden auf dem Augsburger Stadtmarkt die Einsparpotenziale für Kunststoffe – insbesondere im Verpackungsbereich – analysiert. Ein weiterer Fokus liegt auf der Reduzierung von Kunststoffeinträgen in die regionale Landwirtschaft durch den Kompost aus Bioabfall.

reGIOcycle-Verbundpartner Landpack GmbH produziert bereits jetzt Isolierverpackungen aus Stroh, die aus einem regionalen, landwirtschaftlichen Nebenprodukt hergestellt werden und fossil-basiertes Polystyrol ersetzen können. Polystyrol wird derzeit nur zu etwa einem Drittel werkstofflich recycelt (der Rest v.a. thermisch verwertet), während die Landpack-Produkte mit dem Biomüll entsorgt werden können.

Ein ganz aktuelles Beispiel sind die Prototypen für Atemschutzmasken der TECNARO GmbH, die sonst im Bereich der Biokunststoffgranulate tätig ist: Die Masken bestehen auf einem biobasierten Material, benötigen nur ein Fünftel des üblichen Vliesfiltertuchs und sind wiederverwendbar.

Fokus Gewerbeabfälle – Hands on Materials!

Gemäß Umweltbundesamt stellen die „Übrigen Abfälle (insbesondere aus Produktion und Gewerbe)“ mit rund 55,1 Mio. Tonnen (13,2%) pro Jahr die zweitbedeutendste Abfallgruppe dar – nach den Bau- und Abbruchabfällen. Es lohnt also durchaus, sich die Vermeidungspotenziale bei den Gewerbeabfällen einmal näher anzuschauen.

Jedes Wintersemester gibt es daher das Masterseminar „Hands on Materials“ für Wirtschaftsingenieurstudierende der Universität Augsburg zum Thema Abfallmanagement, in dem das Resource Lab gemeinsam mit der IHK Schwaben und Unternehmen Fallbeispiele bearbeitet. Die Vermeidung von Abfällen, etwa bei Verpackungen oder in der Produktion, ist ein zentrales Ziel des Seminars. Sind hier alle Möglichkeiten ausgereizt, wird darüber hinaus bspw. die interne Sammellogistik betrachtet, um die Recyclingfähigkeit der Abfälle zu verbessern. So werden einerseits die Studierenden frühzeitig für die wirtschaftlichen und technischen Potenziale und Hemmnisse des unternehmensinternen Abfallmanagements sensibilisiert. Den Firmen wiederum werden neue Perspektiven eröffnet und sie erhalten Unterstützung bei der Implementierung innovativer Prozesse und Verfahren. So profitieren beide Seiten von der Kooperation.

Abfallvermeidung in Unternehmen ist ebenso Teil des Leistungsspektrums der ELOGplan GmbH. Maßnahmen zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen werden gemeinsam mit den Kunden in Konzepte für eine langfristige Abfall- und Recyclingstrategie eingebunden. Dies bewirkt dauerhafte und sichtbare Effekten für die Umwelt sowie einen langfristigen wirtschaftlichen Vorteil bzw. die Vermeidung wirtschaftlicher Risiken. Nicht zuletzt führt es zu Verbesserungen für die Mitarbeitenden, die mit Abfällen arbeiten, die Abfälle erzeugen oder die von der Lagerung, Entsorgung und Behandlung von Abfällen betroffen sind.

Abfallvermeidung in Kommunen

Einen anderen, aber ebenso wichtigen Abfallstrom hat das Resource Lab gemeinsam mit dem Landesamt für Umwelt im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) in den Fokus genommen: Der „Leitfaden zur Erstellung kommunaler Abfallvermeidungskonzepte“ enthält zahlreiche Best Practice-Beispiele und Umsetzungstipps. Er ermöglicht zudem erstmals eine Messbarkeit der Abfallvermeidung sowie der mit ihr verbundenen Auswirkungen auf Ressourcen und Klima. Die vorgeschlagenen Maßnahmen richten sich sowohl an die Mitarbeitenden der Kommunen selbst (z.B. durch das Sparen von Papier oder Verpackungen) als auch an öffentliche Vergabestellen (z.B. bei Bauprojekten) bis hin zu Möglichkeiten, die es den Bürger*innen erleichtern, Dinge zu reparieren oder weiterzugeben. Das Rückführen von Abfällen in den Wirtschaftskreislauf ist darüber hinaus Gegenstand der „Potentialabschätzung ausgewählter Abfallströme für die Vorbereitung zur Wiederverwendung“, die ebenfalls vom Resource Lab durchgeführt wurde. Im Projekt wurden insbesondere die Stoffströme Elektro- und Elektronikaltgeräte, Gebrauchtmöbel, Freizeitgeräte und Altkleider analysiert und daraus Handlungsempfehlungen für Wertstoffhöfe abgeleitet.

Inwiefern solche Maßnahmen auch in der Stadt Augsburg umsetzbar sind, wird u.a. im EU-Projekt PLASTECO untersucht. Die Stadt Augsburg hat dafür den reGIOcycle-Koordinator Umweltcluster Bayern mandatiert. Im Fokus steht die Vermeidung von Kunststoffabfällen und Littering in verschiedenen Städten und Regionen Europas. Sowohl reGIOcycle als auch PLASTECO werden Augsburg somit auf dem Weg zum selbstgesteckten Ziel der „Low Waste City“ begleiten. Eine entscheidende Rolle beim Thema Abfallvermeidung hat dabei der Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb der Stadt Augsburg inne, der als EMAS-zertifiziertes Unternehmen sowohl die innerbetriebliche Nachhaltigkeit im Blick hat als auch hilfreiche Tipps zur Abfallvermeidung für die Bürger*innen bereithält.

 

Und wenn die Abfallvermeidungspotenziale ausgeschöpft sind?

…dann sollten Recyclingfähigkeit und Ressourceneffizienz im Fokus stehen, um weiter Ressourcen zu schonen. Insbesondere, wenn auch die „unsichtbaren Abfälle“ in den z.T. internationalen Lieferketten mit einbezogen werden, gibt es hier noch vielfältige Möglichkeiten. Einige der reGIOcycle-Partner leisten dazu einen aktiven Beitrag: So führt das Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart wissenschaftliche Untersuchungen zur Optimierung von Werkstoff- oder Verarbeitungstechnik von Kunststoffen durch. Ergänzend dazu beschäftigt sich das Fraunhofer IWKS mit Wertstoffkreisläufen und Ressourcenstrategien, während das Deutsche Institut für Urbanistik Kommunen beim Schließen von Stoffkreisläufen begleitet. Darüber hinaus hat die Dorr Unternehmensgruppe zum Ziel, Abfälle zu Sekundärrohstoffen zu machen.

Das interdisziplinäre reGIOcycle-Konsortium verfügt somit über weitreichende Kompetenzen im Abfallbereich und wird dadurch gemeinsam realisierbare Lösungen für die Projektregion Augsburg entwickeln.

Gefördert von:

Koordination: